Wie behindert bist du eigentlich?!

Ungeduld mit Hemiparese

Ein Thema, das wohl nahezu jede/r mit Hemiparese kennt: Ungeduld, wenn im Alltag etwas nicht so schnell klappt, wie man es gerne hätte. Sei es beim Anziehen, Kochen, Backen, Laufen, in stressigen Momenten, in denen man sowieso schon keine Zeit hat oder… oder… Manchmal will der Körper bzw. die betroffene Seite einfach nicht so, wie man es sich wünscht.

Und das erfordert jede Menge Frustrationstoleranz!

Ich weiß noch sehr gut aus eigener Erfahrung, wie ich früher als Kind und Jugendliche manchmal ausgerastet bin, weil diese rechte Hand einfach nicht so funktionierte, wie ich es wollte…

Auch heute merke ich noch, dass mich meine körperliche Situation ab und an ganz schön herausfordert und ich immer wieder mal an meine Grenzen komme.

Und ich hatte 29 Jahre, um mich mit meiner Hemiparese zurechtzufinden. Andere bekommen ihre erst im Laufe des Lebens und sind dann auf einmal damit konfrontiert. Auf einmal klappt alles langsamer oder erst mal gar nicht.

Deshalb, wenn Du merkst:

Du wirst im Alltag häufiger mal ungeduldig und/oder wirst wütend, weil etwas Bestimmtes nicht klappt oder viel zu langsam:

Das ist völlig okay, mehr noch, das ist normal, gerade dann, wenn Dein Schlaganfall noch nicht so lange her ist. Man muss sich neu finden und neu zurechtfinden. Und auch der Aufbau von Frustrationstoleranz braucht seine Zeit.

Mein Impuls:

Unterdrücke Deine Wut nicht, sondern nimm sie bewusst wahr. Ansonsten hat sie die lästige Eigenschaft, sich anzustauen und irgendwann wie ein Vulkanausbruch zum Vorschein zu kommen.

Hinzu kommt, wenn Du Deine Wut wahrnimmst, ist ein ganz wichtiger Zweck dieses Gefühls bereits erfüllt: Du fühlst die Wut. Und Gefühle wollen genau das, gefühlt werden. Manchmal nimmt alleine dadurch deren Intensität schon wieder ab.

Gleichzeitig: Wut wahrnehmen heißt nicht, ich raste jetzt mal richtig aus und motze jede/n an, die/der mir begegnet. Aber es kann bedeuten, Du nimmst Dir kurz ein paar Augenblicke für Dich, spürst die Wut, atmest tief durch oder stampfst auch mal mit dem Fuß auf (bitte nicht wehtun). Oder Du läufst/rollst ein paar Meter und kriegst dadurch einen klareren Kopf.

Und erst danach machst Du weiter mit dem, was Du angefangen hast.

Das geht natürlich nicht immer…

Manchmal hat man keine Zeit für seine Wut oder andere Gefühle – z.B. wenn man einen Termin hat, etwas fertig werden muss oder man gerade unter vielen Menschen ist. In solchen Fällen kann es helfen, von 100 rückwärts zu rechnen – z.B. in 3er oder 7er Schritten, je nach dem, wie gut Du rechnen kannst.

Warum? Weil dadurch Dein präfrontaler Cortex (Deine Denkzentrale) aktiv bleiben muss. Dieser schaltet sich bei starken Gefühlen gerne mal ab und das limbische System, der Sitz unserer Gefühle, übernimmt die Kontrolle. Die Konsequenz: Wir können nicht mehr klar denken und werden quasi zu unseren Gefühlen.
Mit dem Rückwärtsrechnen verhinderst Du genau das.

Gleichzeitig empfehle ich Dir dennoch:

Dann nehme Dir später einen kurzen Moment, um nochmal auf Deine Wut und die Situation von vorhin zu schauen. Denn aufgeschoben heißt nicht unbedingt auch aufgehoben!

Prüfe:
Wie geht`s Dir gerade im Hinblick auf das, was Dich vorhin frustriert hat bzw. hat ungeduldig werden lassen?
Und vielleicht auch: Gibt es etwas, das Du tun kannst, um Situationen wie diese zukünftig anders zu gestalten? Vielleicht entspannter?

  • Gibt`s z.B. ein bestimmtes Hilfsmittel, das Dir helfen könnte, die jeweilige Tätigkeit leichter zu schaffen? Oder könnte man etwas bauen, das hilft?
  • Würde es schon helfen, mehr Zeit einzuplanen?
  • Gibt`s eine Übung, die die Hand/den Fuß vorher entspannt, damit die Tätigkeit besser klappt?
  • Kann jemand von Außen (vorerst) unterstützen?

Was könnte Dir helfen?

Als Ergänzung:
Manchmal entsteht aus der Wut auch ein Ziel!

Wenn mich eine bestimmte Tätigkeit regelmäßig frustriert, setze ich mir ab und zu auch als Ziel, genau sie leichter/schneller hinzubekommen. Beispiel:

  • schneller an der Kasse einräumen und bezahlen lernen,
  • Taschen tragen mit rechts,
  • anderen zur Begrüßung meine rechte Hand reichen.

Und dann übe ich genau das.
Wichtig ist hier: Sich nicht zu viel auf einmal vorzunehmen und die Tätigkeiten Stück für Stück anzugehen – sonst regen sie einen nur noch mehr auf.
Gleichzeitig ist es ein mega Gefühl, wenn man das, was man vorher nicht hinbekommen hat, plötzlich schafft und es nicht mehr zum ständigen Training der eigenen Frustrationstoleranz wird!
Probiere es vielleicht selbst mal aus!

Mich würde jetzt interessieren: Wie gehst Du bisher mit diesem Thema um? Was hilft Dir bei Ungeduld?
Schreibe es in die Kommentare!

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