Wie behindert bist du eigentlich?!

„Hast Du eine Spastik, Janina?“

Vielleicht hast Du es schon mitbekommen: Seit kurzem ist mein neues E-Book erschienen:
Eure Fragen – meine Antworten rund um meine Kindheit, Jugend und mein Leben mit Hemiparese

Eine Frage hat mich, nachdem ich mit dem Schreiben fertig war, noch ziemlich häufig erreicht:
„Hattest oder hast Du auch eine Spastik?“

Genau um diese Frage dreht sich dieser Blogbeitrag:

Was ist eine Spastik?

Eine Spastik äußert sich durch eine zu starke Anspannung von Muskeln. Die Folge: Steifheit und Verhärtung z.B. im Arm, in der Hand oder im Bein.

Dadurch kann beispielsweise das Handgelenk von Menschen mit Spastik dauerhaft oder immer mal wieder nach unten abknicken und die Hand zur Faust geballt sein. Manchmal ist der Arm dabei auch angewinkelt und zeigt in Richtung Brust.

Spastik äußert sich jedoch bei jedem und jeder anders. Es gibt z.B. auch eine Streckspastik, bei der es Betroffenen schwerfällt, einzelne Gliedmaßen zu beugen. Manche haben aufgrund einer Spastik Muskelzuckungen im Arm oder Bein, wiederum andere bekommen aufgrund dessen Krämpfe. Bei dem/der einen ist die Spastik dauerhaft, bei dem/der anderen tritt sie plötzlich auf, legt sich dann aber wieder. Du siehst, diese Diagnose ist ganz unterschiedlich.

Hast Du eine Spastik?

Ja, habe ich. In vielen meiner früheren Arztberichte steht die Diagnose „armbetonte spastische Hemiparese rechts“.
Sie äußerte sich bei mir in der Kindheit z.B. dann, wenn ich mich erschreckt hatte. Mein rechter Arm schoss in solchen Momenten gerne mal von unten bis rauf oberhalb meiner Brust. Meine Hand ballte sich parallel zur Faust. War der Schreck vorbei, konnte ich meine rechte Hand aber schnell wieder herunternehmen.

Sie kam auch dann zum Vorschein, wenn ich etwas Anstrengendes machte, z.B. Treppen steigen. Während ich mich mit links am Geländer festhielt, ging meine rechte Hand mit geballter Faust ebenfalls nach oben in Richtung Brust.
Dabei spielte auch Konzentration eine große Rolle. Wann immer ich mich auf eine Bewegung fokussieren musste, verlor ich ein wenig die Kontrolle über meine rechte Hand und sie spannte an. Das plötzliche Anspannen meiner Hand tat mir aber nicht weh, oft bekam ich es nicht mal mit. Es gehörte einfach, wie der Rest meiner Hemiparese, zu mir.

Das ist auch der Grund, warum…

…ich mich erst im Erwachsenenalter mit meiner zu starken Muskelspannung beschäftigte. Sie war mir vorher nicht wirklich bewusst.

Heute, nachdem ich mich viel mit meinem Körper und meiner Körperwahrnehmung auseinandergesetzt habe, spüre ich sie viel deutlicher.
Ich merke, wenn ich meine rechte Hand, meinen Arm oder meine Schulter plötzlich anspanne, z.B. weil ich mich stark konzentriere oder ich nervös werde.
Und weil ich`s merke, kann ich oftmals gegensteuern, meine rechte Seite wieder mehr entspannen.

Im Nachhinein könnte ich mir gut vorstellen, …

… dass mir Wahrnehmungstrainings in meiner Kindheit und Jugend hätten helfen können, früher einen guten Bezug zu meinem Körper und meinen Muskeln zu entwickeln.

Und ich meine damit nicht nur ergotherapeutisches Wahrnehmungstraining, sondern auch Übungen für die innere Wahrnehmung, z.B. durch Meditation, Körperscan oder progressive Muskelentspannung. Hierbei geht es viel darum, in sich hinein zu spüren, sich wahrzunehmen und zu entspannen. Für mich persönlich einer der Türöffner zu mehr Beweglichkeit, mehr Bewusstsein und weniger Anspannung.

Anyway, in meiner Kindheit waren diese Übungen und Trainings noch ziemlich unbekannt. Aber vielleicht hat Dein Kind irgendwann Lust darauf, genau das mal auszuprobieren.

Last but not least: Eine spannende Beobachtung:

In der Zeit, in der ich mich viel mit Körperwahrnehmung beschäftigte, ist mir etwas aufgefallen: In vielen Situationen tendieren auch Menschen ganz ohne Spastik dazu, ihre Muskeln unwillkürlich anzuspannen.

Wenn mein Mann beispielsweise am Computer sitzt und tippt, fängt eines seiner Beine oder beide an, zu zucken – und das über lange Zeit.
Wenn mein Bruder früher vorm Schlagzeug saß und spielte, hatte er grundsätzlich seine Zunge raus oder zusammengerollt. Sein Mund war in permanenter Anspannung.
Beim Zähneputzen passiert es vielen Menschen, dass sie mit der einen Hand die Zahnbürste festhalten, während die andere dabei „komisch“ in der Luft hängt und mit angespannt ist, obwohl sie eigentlich entspannen könnte.

Wann immer wir etwas machen, das uns (kopfmäßig) anstrengt, kommt es schnell zu einer erhöhten Muskelanspannung.
Das zu wissen, war irgendwie beruhigend für mich. Andere ohne Spastik haben auch so ihre Themen mit ihrem Körper. Auch, wenn es natürlich nur bedingt vergleichbar ist, da Spastik ja von ganz leicht bis ganz besonders stark ausgeprägt sein kann.

Ich würde sagen, dass ich…

… eine leichte Form der Spastik habe, die ich aber persönlich nie so wirklich wahrgenommen habe. Sie gehörte zu meiner körperlichen Situation einfach dazu, war da sozusagen integriert.

Mich würde interessieren: Wie erlebst Du das bei Deinem Kind? Nimmt es seine Spastik wahr?
Schreibe es in die Kommentare!

P.S.: 

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Ein Kommentar

  • Mir geht es da wie dir. Habe ich, wenn ich mich auf eine Aufgabe sehr konzentriere. Ich kann aber gegensteuern, bis zur nächsten großen Aufgabe halt. Ja, es ist richtig. Sie gehört zu uns, aber manchmal ist es schwer, das zu akzeptieren. War bei mir ja mal anders. Toller Beitrag

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