Wut und Lösungen – Das passt nicht zusammen!
Die kleine Emily sitzt am Küchentisch mit ihren Bastelsachen und ist komplett frustriert. Eigentlich wollte sie eine hübsche Blume ausschneiden, aber ständig fällt ihr das Papier aus ihrer linken Hand oder es zerknittert, weil sie das Blatt zu doll festhält.
Blöde linke Hand!
Emily wirft wütend die Schere auf den Tisch.
Viele Eltern kennen Momente wie diesen!
Das Kind ist frustriert, weil es etwas nicht schafft.
Wie kann man jetzt gut reagieren?
Meine Eltern haben mir in diesen Situationen in der Regel direkt Lösungen angeboten, wie z.B.:
„Komm, wir machen das zusammen.“, „Schatz, ich helfe Dir.“ oder auch: „Komm, wir machen eine Pause.“
Und manchmal funktionierte das; vor allem dann, wenn ich noch nicht total im Gefühlschaos steckte.
Aber meistens war es schon zu spät. Ich war schon zu wütend und der Lösungsvorschlag meiner Eltern führte zu noch mehr Wut!
Ich wollte weder weitermachen, noch eine Pause einlegen. Oder aber ich wollte weitermachen, aber ohne Hilfe (was daraufhin meistens zu noch mehr Verzweiflung geführt hat. Denn mit Wut im Bauch funktionierte meine betroffene Hand noch schlechter).
Ich beobachte genau das heute immer wieder auch bei anderen Kindern mit und ohne Hemiparese. Wenn starke Gefühle im Spiel sind, bringen Lösungsvorschläge gar nichts.
Gefühle im (kindlichen) Gehirn
Mittlerweile ist in den Neurowissenschaften sehr gut belegt, was passiert, wenn wir starke Gefühle empfinden:
Unsere Denkzentrale im präfrontalen Cortex verabschiedet sich und das limbische System, der Sitz unserer Gefühle, übernimmt das Kommando. Wir werden quasi zu unserem Gefühl, während unser bewusstes Denken abgeschaltet ist.
In Lösungen zu denken wird (beinahe) unmöglich.
Im kindlichen Gehirn passiert genau das gleiche, nur fällt es bei Kindern deutlich stärker auf (sie rasten einfach aus, werfen sich auf den Boden, brechen in Tränen aus). Denn sie haben noch keinen Weg gefunden, ihre Gefühle zu regulieren.
Wir Erwachsenen kennen da vielleicht die ein oder andere Strategie (z.B. tief durchatmen, sich ablenken, von 10 rückwärts zählen, bevor man antwortet). Und wir haben schon viele Erfahrungen mit Gefühlen gemacht, Kinder haben das alles nicht.
Deshalb ist es hilfreich…
… gerade in solchen Momenten noch nicht über Lösungen und Möglichkeiten zu sprechen, sondern erst einmal das Gefühl des Kindes aufzunehmen.
Beispielsweise indem man sagt: „Ich merke, Du bist gerade traurig/wütend.“ oder „Ich sehe, es macht Dich gerade wütend, dass Dir das Ausschneiden schwerfällt.“
In den Momenten, in denen Du die Gefühle Deines Kindes benennst, lernt es Stück für Stück Worte für diese Gefühle zur Verfügung zu haben, die es gerade überrollen. Dadurch kann es im Laufe der Zeit lernen, (besser) über seine eigenen Gefühle zu sprechen.
Das führt nicht automatisch dazu, dass sich das Kind sofort beruhigt.
Aber es merkt, dass es in seinen Gefühlen gesehen und verstanden wird.
Du holst es dort ab, wo es gerade steht.
Manchmal macht es an dieser Stelle auch Sinn, das Kind erzählen zu lassen, was genau passiert ist oder was ihm nicht gelingt und wütend macht.
Denn wenn wir anfangen zu sprechen, fällt es uns meistens leichter, wieder Zugang zum präfrontalen Cortex (der Denkzentrale) zu bekommen, wodurch wir wiederum unsere Gefühle leichter regulieren können.
Und auch wenn das Kind erzählt, hilft es oftmals mehr, zunächst keine Lösungen vorzuschlagen, sondern erstmal nur das Kind zu verstehen und seine Situation aufzunehmen.
Um dann später, wenn das Kind wieder gut drauf ist oder in einer neutralen Stimmung über mögliche Lösungen zu sprechen und gemeinsam zu sammeln.
Wie gehst Du bisher vor, wenn Dein Kind wütend oder traurig wird? Schreibe es in die Kommentare!
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