Wie behindert bist du eigentlich?!

Wieviel soll ich meinem Kind abnehmen?

Zwei Fragen, die sich viele Eltern von Kindern mit körperlichem Handicap stellen:
„Wieviel soll ich meinem Kind abnehmen? Wann lasse ich es aber auch einfach mal selbst machen?

 

Es gilt viel zu berücksichtigen:

Z.B. die Persönlichkeit des Kindes, in welcher Phase es gerade steckt bzw. wie alt es ist. Es gibt Kinder, die wollen schon sehr jung alles selbst übernehmen oder haben regelmäßig Phasen, in denen sie stark nach Unabhängigkeit streben. Andere Kinder wiederum lassen sich gerne helfen und Dinge abnehmen. 

Auch die Fähigkeiten Deines Kindes sind entscheidend, wieviel es zurzeit schafft.
Und die derzeitige Situation hat ebenfalls Einfluss. Ist es z.B. vor kurzem in die Kita gekommen oder in die Schule? Dann könnte es sein, dass es nachmittags müder ist als sonst und dementsprechend vielleicht (vorerst) mehr Unterstützung braucht als zuvor. Insofern ist es knifflig zu sagen, wieviel Du Deinem Kind in welchem Alter abnehmen solltest. Eine pauschale Aussage ist, wie so häufig, nicht möglich.

 

Hier ein paar Impulse, die Dich bei den Fragen dennoch weiterbringen:

1. Falls bereits möglich: Bleibe im Gespräch mit Deinem Kind!

Wenn Dein Kind schon 5, 6 Jahre alt ist und gut spricht, könntest Du diese Fragen auch mit ihm bzw. ihr besprechen.
Z.B. indem Du es fragst, was es gerne selbst macht und wobei es noch Schwierigkeiten hat.
Klar, nicht alle Kinder können das sofort beantworten, aber vielleicht in der konkreten Situation. Wenn es beispielsweise gerade etwas ausschneidet und merkt, dass es dabei Schwierigkeiten hat. Oder beim Einschenken eines Wasserglases, beim Schuhebinden oder… oder… Hilfreich wäre es natürlich, wenn Ihr zwischendurch auch Dinge findet, die es bereits selbstständig schafft. 

Ihr könntet möglicherweise auch gemeinsam überlegen: Was möchte Dein Kind zukünftig selbst übernehmen und wobei wünscht es sich noch Unterstützung? Und Dann haltet Ihr genau das gemeinsam auf einer Liste oder einem Bild fest. Und sobald es mehr schafft, passt Ihr Eure Aufzeichnungen an.

Schwieriger ist es, wenn Dein Kind noch nicht so gut kommunizieren kann.
Dann könnte vielleicht das hilfreich sein:

 
2. Notiere, was Du bisher für Dein Kind übernimmst und was Du es selbst machen lässt!

Eventuell hast Du manchmal das Gefühl Deinem Kind zu viel oder auch zu wenig abzunehmen. Viele Eltern wissen jedoch gar nicht so genau, was genau sie ihrem Kind abnehmen und was sie es selbst machen lassen. Das Abnehmen passiert im Alltag einfach, man kann gar nicht jedes Mal darüber nachdenken und abwägen. 

In diesem Fall kann es Sinn machen, das Abnehmen und Überlassen mal in Eurem Alltag zu beobachten und aufzuschreiben. Dadurch gewinnst Du einen Überblick: Wie ist es jetzt gerade?
Und von dort aus kannst Du schauen: Gibt es etwas, das Du Deinem Kind zukünftig gerne mehr und mehr selbst überlassen willst?

Falls Du einen Partner/eine PartnerIn hast, könntet Ihr auch beide eine Liste erstellen und miteinander abgleichen. Was nimmt Dein(e) PartnerIn Eurem Kind ab, was Du? 

Manchmal ist es ja auch so, dass das Kind bei dem einen Elternteil z.B. seinen Schlafanzug völlig selbstständig an- und auszieht, bei dem anderen aber lieber Hilfe haben möchte.
Das Ziel muss es dann nicht gleich sein, dass es den Schlafanzug sofort bei beiden Eltern alleine anzieht – kann es vielleicht auf längere Sicht.

Aber manchmal steckt hinter dem Hilfe einfordern des Kindes auch ein Bedürfnis nach Nähe,Verbindung oder auch nach Sicherheit. Und auch diese Bedürfnisse sind wichtig und sollten im Blick behalten werden! Denn es geht nicht immer ausschließlich darum, was das Kind schafft und was nicht, sprich, wie selbstständig es ist. Selbstständigkeit kann es seine gesamte Kindheit über lernen. Manchmal ist auch einfach die Verbindung wichtig und in diesem Fall die Hilfe.

Genau das kannst Du mit diesem Abgleich (Was nimmst Du ab, was Dein(e) PartnerIn?) aufdecken. Und vielleicht überlegt Ihr anschließend gemeinsam: Was nehmt Ihr zukünftig ab, was überlasst Ihr aber auch Eurem Kind?

 
3. Achte auf die Tagesform Deines Kindes!

Jeder Tag mit Kind ist anders. Mal strömt es über vor Energie, mal ist es schnell müde, wütend oder überfordert. 
Auch wir Erwachsene haben gute und schlechte Tage. Aber bei Kindern kann das noch schneller hin und her springen. 

Deshalb, achte unbedingt auch darauf:

  • Wie geht es Deinem Kind heute?
  • Wie ist es drauf?
  • War es heute anstrengend in der Kita/der Schule?
  • Und was hat es erlebt?

Denn je nachdem braucht es an diesem Tag Deine Unterstützung mehr oder weniger. Klar, je nach Alter und Entwicklung Deines Kindes solltest Du ihm bzw. ihr auch an schweren Tagen nicht gleich alles abnehmen. Schließlich wird es zukünftig auch immer mal wieder anstrengende Tage erleben und irgendwann nicht mehr ständig Deine Hilfe haben.

Und dennoch lohnt es sich, ein Auge auf die Tagesform Deines Kindes zu haben. Alleine, um mögliche emotionale Ausbrüche besser verstehen zu können. Denn manchmal ist es einfach so:
An einem Tag schafft Dein Kind sich komplett alleine an- und auszuziehen, am nächsten scheint genau das meilenweit entfernt.
Und gerade, wenn Dein Kind jung ist, ist das auch völlig okay. Es darf manchmal mehr Hilfe brauchen als an anderen Tagen. Die Fähigkeiten Deines Kindes und seine/ihre Bereitschaft, diese zu nutzen, müssen nicht immer Hand in Hand gehen. 

 

4. Achte auf Dich und Deine Energie!

Auch Deine Tagesform ist entscheidend, wenn es darum geht, Dein Kind in seiner Selbstständigkeit zu fördern. An manchen Tagen bist Du möglicherweise ausgeruht und fit, an anderen eher müde und schnell gereizt. Demnach frage am besten auch Dich:

  • Wieviel Energie habe ich heute?
  • Wieviel kann ich aushalten? (z.B. die Launen Deines Kindes, wenn etwas nicht gleich klappt)
  • Und wieviel Zeit ist auch da?

Es ist völlig okay, Deinem Kind zwischenzeitlich Dinge abzunehmen, die es zwar selbst bereits schafft, aber die lange dauern oder viel Frust kosten. Gerade dann, wenn sich Dein Kind genau das abnehmen lässt, vielleicht sogar ganz froh ist, wenn Du es übernimmst. 

Genauso ist es in Ordnung, Dein Kind zwischendurch „einfach“ mal machen zu lassen, wenn es eine zu schwierige Aufgabe unbedingt selbst übernehmen will und Du Ärger vermeiden willst. Wenn es sie nicht schafft, kann es Dich immer noch fragen.
Manchmal ist es einfach genau richtig, den Weg des geringsten Widerstands zu gehen, auch um Deine Energie zu bewahren.

Denn es gibt immer wieder auch Tage, an denen Du als Mama/Papa mehr aushalten und Dein Kind auf dem Weg zu mehr Selbstständigkeit gut begleiten kannst. Nutze die Tage, an denen Ihr beide gut oder zumindest neutral drauf seid! Hier sind die Erfolgschancen deutlich größer, dass Ihr beim Thema Selbstständigkeit weiterkommt.

 

Ich wünsche Dir viel Erfolg beim Ausprobieren der Impulse! Schreibe gerne mal in die Kommentare: Bei was unterstützt Du Dein Kind, welche Dinge lässt Du es aber auch selbst ausprobieren? 

 

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Ein Kommentar

  • Haha, danke für die super Tipps! Aber ehrlich, mein Kind will bei *allem* Hilfe, gerade wenn es doch kann. Vielleicht liegt das daran, dass es mein Spiegelbild ist – ich übernehme auch alles, wenn ich müde bin. 😉 Es ist toll, dass man das gemeinsam notiert, nur hoffe ich, dass die Liste nie wirklich kürzer wird! Die Frage Was möchte Dein Kind zukünftig selbst übernehmen? klingt nach einer Abstimmung, bei der mein Kind bestimmt alles, was ich nicht machen muss wählt. Trotzdem gute Idee, mal drüber nachzudenken, was wirklich überflüssig ist. Und ja, die Tagesform des Kindes (und die meiner Eltern) ist ein Witz! Vielleicht sollten wir auch eine Liste für die Eltern machen: Hilfe benötigt bei… 😉

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