Wie behindert bist du eigentlich?!

Vergleiche mit sich selbst – Ja bitte, aber …

Neulich hatte ich ein Coaching mit jemandem, der ebenfalls eine Hemiparese hat; allerdings nicht von Geburt an, sondern seit einem Unfall vor ein paar Jahren. Er klang sehr positiv, motiviert und zielorientiert.

Er hatte allerdings eine behindernde Angewohnheit!

Während unseres Gesprächs hat er sich immer wieder mit dem Menschen verglichen, der er vor seinem Unfall war.

„Damals konnte ich noch alles mit meiner Hand“

„Damals ging das Laufen viel einfacher.“

„Ich habe früher surfen geliebt.“

„Und heute geht das alles nicht mehr!“

 

Warum ist das behindernd?

Nach jedem Vergleich, den er mit seinem früheren Ich anstellte, klang er trauriger und ein bisschen weniger motiviert. Diese Gewohnheit machte ihm schlechte Gefühle! Warum? Weil er sich damit ständig in einen Mangel katapultierte. Er sah nur, was er heute alles nicht mehr kann. Für mich war diese Reaktion völlig verständlich; Schließlich kannte er ein Leben, in dem er mit seiner Hand und seinem Fuß deutlich mehr schaffte und das völlig automatisiert und selbstverständlich.

Leider ist diese Gewohnheit trotzdem absolut nicht zielführend, wenn es, wie in unserem Coaching, darum geht, neue Bewegungen zu lernen. Denn dafür brauchen wir

  1. positive, motivierende Gefühle und
  2. sollte der Fokus nicht darauf liegen, was alles nicht geht, sondern darauf, was er lernen will.

Vergleiche mit sich selbst sind aber durchaus sinnvoll;

oftmals viel sinnvoller, als wenn wir uns mit anderen Menschen vergleichen. Denn häufig stellen wir bei Vergleichen mit anderen fest, was die alles besser können als wir. Und dann sind wir auch wieder im Mangel.

Wenn wir uns mit uns selbst vergleichen, haben wir unsere eigene Entwicklung im Blick. Wir können prüfen: Wo habe ich mich verbessert? Was habe ich inzwischen gelernt? Was kann ich mehr?

Bei meinem Klienten kam jetzt ein Unfall dazwischen…

Die Konsequenz: Seine Realität vor dem Unfall und seine Realität nach dem Unfall sind völlig verschieden. Vor dem Unfall konnte er laufen und seine Hände völlig frei bewegen. Nach dem Unfall musste er erst mal wieder laufen lernen und seine Hand trainieren.

Insofern: Beide Realitäten lassen sich einfach nicht miteinander vergleichen; Oder nur so, dass dabei unglaublich viele Mangelgefühle entstehen.

Deshalb habe ich meinem Klienten empfohlen:

„Vergleiche Dich mit Dir selbst, aber vergleiche Dich mit Dir als Trainierende(r) nach dem Unfall.“

„Was schaffst Du seit Deinem Unfall mehr; mit Deiner Hand, mit Deinem Fuß?“

„Was hast Du schon alles gelernt?“

„Welche Ziele hast Du seitdem schon erreicht?“

Er begann sofort begeistert zu erzählen. Inzwischen kann er fast ganz normal laufen, er kann seinen Arm strecken, er kann…

Diese Fragen machten ihm positive Gefühle. Er dachte daran, was er schon alles geschafft und welche Entwicklung er mitgemacht hat. Der Fokus liegt hierbei darauf, was alles schon geht; eine gute Ausgangslage, um von dort aus zu überlegen:

„Wo soll`s denn jetzt hingehen?

Welche Ziele willst Du noch erreichen?“

Über diese Fragen kamen wir schließlich zu seinen Zielen, die er erreichen will und an denen wir in den nächsten Wochen arbeiteten.

Was heißt das jetzt für Dich? Konkrete Vorschläge:

Falls auch Du Dein körperliches Handicap durch einen Unfall oder Schlaganfall bekommen hast, vergleiche Dich weniger mit der Person, die Du früher warst (à la „Damals konnte ich noch…“), sondern mit Dir nach dem Unfall bzw. Schlaganfall. Frage Dich:

Was kannst Du jetzt mehr?

Welche Ziele hast Du schon erreicht?

Hilfreich ist auch die Frage:

Wie hast Du das geschafft?

Wie hast Du Deine bisherigen Ziele erreicht?

Fragen wie diese decken Deine Ressourcen auf, die Dir bestimmt auch bei Deinen nächsten Zielen helfen können.

Und, wenn Du mitten im Training und auf dem Weg zu einem Ziel bist (z.B. laufen lernen, Finger strecken, Handgelenk bewegen, was auch immer), frage Dich:

Was kannst Du mehr im Vergleich zu gestern, zu letzter Woche, letztem Monat?

Denn durch diese Frage machst Du Dir auch Deine unmittelbare Entwicklung bewusst. Das motiviert, weiter dranzubleiben weiter Gas zu geben.

Wann vergleichst Du Dich und mit wem? Vergleichst Du Dich auch mit Dir selbst? Welche Erfahrungen hast Du damit gesammelt?

Schreibe es in die Kommentare! Ich freue mich darauf.

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