Wie behindert bist du eigentlich?!

Meine Hemiparese, die Liebe und ich

Heute ist Valentinstag, der Tag der Verliebten und vermutlich der Tag, an dem die meisten roten Rosen über die Ladentheke gehen.

In diesem Zusammenhang ist mir aufgefallen:

Ich habe auf diesem Blog noch nie über Liebe geschrieben!

Das will ich, passend zum Anlass, heute mal nachholen und mich mit dem Thema auseinandersetzen:

Welche Rolle spielt eigentlich meine rechtsseitige Hemiparese innerhalb meiner Beziehung?

Also: Los geht`s!

Mein Freund und ich sind mittlerweile seit fünfeinhalb Jahre zusammen!

Wir sind, bis auf ein paar Kleinigkeiten (die es wohl in jeder Beziehung gibt), nach wie vor sehr sehr glücklich und verliebt. Dafür bin ich unendlich dankbar!

Mein Freund hat keine Hemiparese oder eine andere besondere körperliche Situation. Wir kannten uns schon, bevor ich anfing, meine Hemiparese aktiv zu verbessern. Anfangs spielte sie deshalb innerhalb unserer Beziehung auch kaum eine Rolle. Sie war halt da und ich ging davon aus, das würde auch für den Rest meines Lebens so bleiben.

Heute ist das Ganze etwas anders. Meine Hemiparese steht aufgrund meines Projekts, mich selbst zu heilen und auch wegen meines Jobs als Coach für Menschen mit Handicap sehr oft im Mittelpunkt. Aber dazu später mehr.

Zuerst: Wie war es denn vor meiner Beziehung?

Bevor ich meinen Freund kennenlernte, hatte ich immer wieder Dates. Dabei hatte ich irgendwie immer ein starkes Grundvertrauen, dass ich schon jemanden kennenlernen würde, den meine Hemiparese nicht stören würde.

In Dates machte ich deshalb meine besondere körperliche Situation anfangs gar nicht zum Thema. Sie sollte (zumindest vorerst) keine Rolle spielen.

Denn ich ging davon aus: Mich zeichnet viel mehr aus als nur meine körperliche Situation!

Vermutlich lernte ich aufgrund dieser Einstellung auch keinen einzigen Mann kennen, der mit meiner Hemiparese irgendein Problem hatte. Im Gegenteil: Selbst nachdem ich ihnen gesagt hatte, dass ich eine „Behinderung“ habe, spielte das Thema innerhalb der folgenden Gespräche kaum eine Rolle.

Im Nachhinein bin ich echt glücklich darüber, dass ich damals schon diese positive Einstellung hatte und meine körperliche Situation diesbezüglich nicht als Problem wahrnahm. Vielleicht wäre es mir sonst schwerer gefallen, Männer überhaupt kennenzulernen.

Auch heute bin ich der Meinung:

Wenn jemand ein Problem mit meiner körperlichen Situation hätte, dann wäre dieser Jemand einfach nicht der Richtige für mich! Und das wäre auch okay so. Schließlich habe ich ja auch bestimmte Kriterien, die mein Partner erfüllen sollte, damit die Beziehung zwischen uns gut funktionieren kann.

So ist es heute:

Mein Freund unterstützt mich meeega bei meinem Projekt: Wir entwickeln gemeinsam Ideen für mein Training, trainieren immer wieder zusammen und feiern gemeinsam meine Fortschritte. Insofern: Die Verbesserung meiner Hemiparese ist sehr präsent innerhalb unserer Beziehung.

Selbstverständlich geht es in unserer Beziehung darüberhinaus auch immer wieder um den Job meines Freundes und die Umsetzung seiner Projekte. Und das ist auch wichtig, denn sonst käme es zu einem Ungleichgewicht.

Doch es gibt auch gewisse „Einschränkungen“:

Meine Angst vor neuen Aktivitäten und Sportarten. Mein Freund liebt es, aktiv zu sein und Neues auszuprobieren. Beides passt nicht so optimal zusammen; hier die Angst vor Neuem, da die Begeisterung für Unbekanntes und Actionreiches.

Die Konsequenz: Wir probieren eher selten neue, abenteuerliche Aktivitäten aus.

Eine Lösung: Meine Kann-Ich-Liste!

Auf dieser halte ich ja Aktivitäten fest, vor denen ich mich fürchte, die ich aber trotzdem zusammen mit meinem Freund ausprobiere; einfach um meine Angst zu überwinden.

Meine Angst hat aber nicht unbedingt etwas mit meiner Hemiparese zu tun;

sondern eher mit meinem fehlenden Vertrauen in meinen Körper.

Insofern: Hier sorgt mehr mein Kopf für die „Einschränkungen“ innerhalb der Beziehung als mein Körper an sich.

Wenn ich keine Lust darauf habe, mich meinen Ängsten zu stellen, geht deshalb mein Freund mit seinen Freunden zu actionreichen Aktivitäten und ich mache in der Zeit etwas anderes.

Ich habe gelernt:

Es ist wichtig, immer im Gespräch zu bleiben und offen über Themen und Probleme zu sprechen. Wenn sich einer von uns eingeschränkt fühlt, reden wir darüber und suchen gemeinsam nach Lösungen und/oder Kompromissen. Und auch das ist wieder relativ unabhängig von meiner Hemiparese, denn im Gespräch bleiben sollte jedes Paar, das sich eine langfristige und gute Beziehung wünscht.

So wird es oft im Fernsehen dargestellt:

In Filmen werden Beziehungen zwischen einem gesunden Menschen und einem mit einer besonderen körperlichen Situation häufig als asymmetrisch beschrieben. Die Person mit der körperlichen Situation wird meist so dargestellt, als sei sie stark auf die Hilfe ihres Partners angewiesen. Der Partner wiederum kümmert sich gerne, empfindet es jedoch auch als sehr belastend, worüber er jedoch nicht offen spricht. Nicht selten spielt der Gedanke an eine Trennung aufgrund dessen eine große Rolle im Film.

Ich bin sehr froh, dass meine Beziehung so gut funktioniert!

Selbstverständlich kann das auch gut damit zusammenhängen, dass ich einfach nicht so eingeschränkt bin, dass ich viel Hilfe benötige. Doch ich denke, dass es auch etwas damit zu tun hat, dass mein Freund und ich so offen über alles sprechen. Und auch, wenn wir mal Themen und Probleme miteinander haben, dann machen wir uns schnell auf die Suche nach Lösungen, statt im Problem zu verharren.

Also: Welche Rolle spielt meine Hemiparese in meiner Beziehung?

Eine große, denn sie ist durch mein Projekt einfach ständig präsent. Mein Freund und ich sprechen viel über sie und das eigentlich ausschließlich im positiven Sinne. Wir befassen uns mit Fragen wie:

Welche Ziele verfolge ich gerade?

Welche Bewegung will ich neu lernen? Wie sieht die genau aus?

Wie kann ich die Bewegung lernen?

Usw.

Und so befassen wir uns eigentlich fast ausschließlich mit den Möglichkeiten, die wir haben oder zukünftig haben werden und weniger bis gar nicht mit Dingen, die aufgrund meiner Hemiparese (noch) nicht möglich sind.

Welche Erfahrungen hast Du bisher in der Liebe gesammelt? Siehst Du vieles ähnlich oder doch ganz anders?

Ich freue mich auf Deinen Kommentar zum Thema.

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