Ergotherapie – Was ist das eigentlich genau?
Ich habe großes Glück: Ich darf bald einen Vortrag über mein Projekt vor ein paar Ergotherapeutinnen und –therapeuten halten. Ich freue mich riesig und bin schon ganz gespannt darauf. In diesem Zusammenhang habe ich mich gefragt:
Was genau ist Ergotherapie eigentlich und welche Ziele verfolgt sie?
Ich bekomme jetzt zwar seit circa einem Jahr regelmäßig Ergotherapie und weiß, wie eine solche Therapiestunde abläuft, trotzdem habe ich mich bisher nicht mit der Theorie dahinter befasst; bis jetzt. Ich war neugierig und googlete ein wenig. Heute will ich Dir einmal zeigen, was ich dabei herausgefunden habe.
Ergotherapie ist ein anerkanntes medizinisches Heilmittel.
Der Deutsche Verband der Ergotherapeuten (DVE) beschreibt Ergotherapie wie folgt:
„Ergotherapie unterstützt und begleitet Menschen […], die in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt oder von Einschränkung bedroht sind. Ziel ist, sie bei der Durchführung für sie bedeutungsvoller Betätigungen in den Bereichen Selbstversorgung, Produktivität und Freizeit in ihrer persönlichen Umwelt zu stärken.“
Beim weiteren Lesen entdeckte ich:
Mit Selbstversorgung sind an dieser Stelle Dinge wie sich selbst anziehen, waschen oder auch kochen gemeint. Unter Produktivität werden die Anforderungen des Berufslebens gefasst (wie z.B. Computerarbeit, handwerkliche Arbeit usw.). Zu freizeitlichen Aktivitäten gehören Freunde treffen, schwimmen gehen, ins Kino gehen usw.
Der DVE führt weiterhin aus, dass es innerhalb der Ergotherapie darum gehe, Menschen in ihrer Handlungsfähigkeit und ihrer Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu stärken und ihre Lebensqualität zu verbessern.
Aha! Letztendlich geht es in der Ergotherapie also einerseits darum, die Fähigkeiten einer Person wieder herzustellen und zu verbessern und andererseits darum, deren Leben so normal und angenehm wie nur möglich zu gestalten. Ein sehr großes und tolles Ziel finde ich.
Ein weiterer interessanter Aspekt: Vielseitigkeit
Wusstest Du, dass innerhalb der Ergotherapie nicht nur Menschen mit einer besonderen körperlichen Situation (manche sprechen hierbei auch von körperlicher Behinderung), sondern auch mit einer besonderen psychischen Situation (Beeinträchtigung) behandelt werden?
Mir war das bisher noch gar nicht so bewusst. Während ich in meiner Ergo-Stunde an der Verbesserung meiner rechtsseitigen Motorik arbeite, arbeiten andere, insbesondere Kinder mit ADS oder ADHS, an der Verbesserung ihrer Konzentrationsleistung. Wieder andere schulen mithilfe der Ergotherapie ihre Wahrnehmungsfähigkeiten. Ergotherapie ist damit ein ganz schön weites Feld.
Ganz wichtig: die Selbstbestimmung
Egal, wie sich die besondere Situation einer Person äußert, in der Ergotherapie geht es darum, die Selbstbestimmung von Menschen zu fördern und zu erhalten. Und wie das? Mithilfe von:
- gezieltem Training,
- Anpassung des Umfelds an die Bedürfnisse des Patienten und
- Beratung.
Passend dazu sind die Ziele der Therapie immer an denen des Patienten orientiert.
Letzteres finde ich richtig gut. Denn auch in Zusammenarbeit mit meiner Ergotherapeutin kann ich mir frei aussuchen, an welchen Zielen ich arbeiten möchte. So bleibe ich motiviert und trainiere regelmäßig. Denn schließlich will ich ja meine Ziele erreichen.
Es gibt nicht DIE Ergotherapie.
Innerhalb dieses Feldes gibt es kein einheitliches standardisiertes Vorgehen. Es existieren viele Ansätze nebeneinander. Ergotherapie kann daher sehr unterschiedlich sein. Es gibt beispielsweise die
- sensorische Integrationstherapie (dient der verbesserten Verarbeitung von Sinnesreizen im Gehirn),
- das Affolter Modell (Ziel: Verbesserung der Wahrnehmung und der Beziehung zur Umwelt)
- verschiedenste Konzentrationstrainings (z.B. für Kinder mit so genannten Aufmerksamkeitsstörungen)
- und das Bobath-Konzept.
An dieser Stelle will ich Dir kurz das Bobath-Konzept vorstellen, weil dieses sehr häufig innerhalb der Ergotherapie, aber auch in der Physiotherapie angewandt wird.
Das vielseitige Bobath-Konzept
Das Bobath-Konzept wurde 1954 von der Physiotherapeutin Berta Bobath und dem Neurologen Dr. Karl Bobath entwickelt. Die Behandlung verfolgt verschiedenste Ziele:
- die Wiederherstellung von verlorengegangenen Fähigkeiten,
- die Versorgung mit Hilfsmitteln (Umweltanpassung),
- die Erweiterung der Handlungsfähigkeiten
- und die größtmögliche Selbstständigkeit.
Ursprünglich wurde das Konzept speziell für Menschen mit einer Halbseitenlähmung (Hemiplegie/Hemiparese) entwickelt (also genau mein Konzept ;)). Heute werden aber auch Personen mit Schädelhirntrauma, MS oder Parkinson mit diesem Konzept therapiert.
Interessant an dem Konzept finde ich, dass der behandelnde Ergotherapeut zu Beginn der Therapie erst einmal darauf achtet, was der jeweilige Patient bereits kann. Die Betonung liegt hierbei somit auf den Ressourcen und Stärken des Patienten und nicht auf dessen Defiziten. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es wesentlich sinnvoller ist, die Stärken anstatt der Schwächen zu betonen. Denn wenn ich weiß, was ich alles schon schaffe, glaube ich mehr an mich, ich bin motiviert und arbeite gerne an meinen Zielen. Wenn ausschließlich meine Schwächen betont werden, habe ich erst gar keine Lust, überhaupt mit dem Training anzufangen, weil ich denke, dass ich an meiner Situation sowieso nichts ändern kann.
Zum weiteren Vorgehen der Bobath-Therapie gehören:
- das gemeinsame Festlegen von Zielen im Hinblick auf Motorik und Sensorik,
- Bewegungsübungen, die der Patient eigenständig durchführt sowie geführte Bewegungsübungen durch den Therapeuten
- und die Integration von zuvor geübten Bewegungen in den Alltag.
Somit ist auch das Bobath-Konzept stark an den Bedürfnissen und den Zielen des Patienten orientiert. Es geht darum, ihn innerhalb seines Umfeldes bestmöglich zu unterstützen.
Während meiner Recherche zum Thema Ergotherapie ist mir erst so richtig bewusst geworden, wie viel hinter dieser Behandlungsform steckt.
Es ist ein großes und vielseitiges Therapiekonzept, das vielen Menschen dabei helfen kann, ihre besondere psychische oder körperliche Situation zu verbessern. Ich bin auf jeden Fall begeistert davon und sehr froh darüber, dass ich regelmäßig zur Ergotherapie gehe. Sie hilft mir dabei, meine Sensorik und Motorik zu verbessern.
Hast Du auch Erfahrungen mit Ergotherapie? Wie gefällt sie Dir?
Ich freue mich auf Deinen Kommentar zum Thema.
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