Warum musste das ausgerechnet MIR passieren? Warum habe gerade ICH diese Behinderung?
Immer wieder bekomme ich aus Gesprächen mit, dass sich viele, die ein körperliches Handicap haben, diese Fragen stellen:
„Warum ICH? Warum habe gerade ICH dieses Handicap bzw. diese Behinderung?“
Ich habe mir diese Fragen auch immer mal wieder gestellt!
Vorwiegend dann, wenn etwas nicht funktionierte, wenn ich etwas wegen meiner Hemiparese nicht konnte (z.B. schwere Gegenstände tragen, Sportspiele, meine rechte Hand drehen usw.).
„Warum habe ich diese Hemiparese bzw. warum hatte ich den vorgeburtlichen Schlaganfall, durch den ich die Hemiparese bekam?“
„Liegt es daran, dass meine Mutter in der Schwangerschaft etwas falsch gemacht hat?“
„Ist es reiner Zufall?“ Drauf tippen bis heute meine Ärzte.
„Warum gerade ich und nicht eines meiner Geschwister?“
Die Fragerei ist mehr als frustrierend!
Jedes Mal, wenn ich mir diese Fragen stellte, bekam ich unglaublich schlechte Laune. Auf der einen Seite wurde ich sauer; auf meine Mutter, den Zufall, auf was eigentlich? Das war ja unklar!
Auf der anderen Seite bekam ich ein schlechtes Gewissen, weil ich mich fragte, ob meine Mutter etwas falsch gemacht hatte und ich ihr das absolut nicht vorwerfen wollte.
Dieses Gedankenexperiment hat geholfen:
Mein Coach hat mit mir zu Anfang unserer gemeinsamen Arbeit ein Gedankenexperiment gemacht und gesagt: „Tun wir so als ob Du wüsstest, warum Du die Hemiparese hast. Was ändert sich dadurch?“
Ich ging die verschiedenen Optionen durch. Ich tat so als ob ich es wüsste. Ich stellte mir vor, dass meine Mutter in der Schwangerschaft einen Fehler gemacht hätte und ich stellte mir vor, dass es reiner Zufall war. Auch das war ausschließlich mit negativen Gefühlen verbunden; mit Frust und Schuldzuweisung.
Durch das Experiment ist mir aber etwas Entscheidendes klar geworden!
Letztendlich führen die Fragen nach dem Warum immer nur in die Vergangenheit und genau die können wir nicht verändern! Es verändert sich für mich nichts, nur weil ich weiß, weshalb ich die Hemiparese habe. Sie ist nach wie vor da!
Und genau deswegen stelle ich mir diese Fragen nicht mehr!
Ich habe für mich erkannt: Es ist absolut nicht zielführend, sich immer wieder zu fragen: Wer oder was ist Schuld? Denn das ist gar nicht wichtig! Schuld löst letztlich nur schlechte Gefühle aus und macht auf Dauer vermutlich mehr passiv als aktiv.
Stattdessen konzentriere ich mich darauf, worauf ich Einfluss nehmen und was ich verändern kann!
Ich kann nichts daran ändern, dass ich einen vorgeburtlichen Schlaganfall hatte. Ich kann auch nichts daran ändern, dass ich mit einer Hemiparese geboren wurde. Aber ich kann beeinflussen,
- wie es mir mit meiner Hemiparese geht und
- was ich aus dieser Situation mache!
Ich habe mich dafür entschieden, mein Handicap aktiv zu verbessern, denn genau das kann ich; darauf habe ich Einfluss.
Jetzt aber zu Dir!
Stellst Du Dir vielleicht auch manchmal die Frage, warum Du Dein körperliches Handicap hast? Bzw. hast Du Dir diese Frage mal gestellt?
Falls ja, welche Gefühle löst diese Frage in Dir aus?
Ich kann natürlich an dieser Stelle nicht wissen, was Dir genau dabei durch den Kopf geht. Vielleicht fragst Du Dich ebenfalls, wenn Du Dein Handicap auch seit Deiner Geburt hast, ob in der Schwangerschaft Deiner Mutter etwas schiefgelaufen ist. Vielleicht stellst Du Dir aber auch die Frage, warum Du in Deiner Kindheit, Deiner Jugend, im Erwachsenenalter diesen Schlaganfall hattest oder diesen Unfall.
Ganz gleich, mit welcher Warum-Frage Du Dich befasst:
Mein Tipp an Dich:
Mache auch mal dieses Gedankenexperiment. Tue so als ob Du wüsstest, warum Du Dein Handicap hast. Was macht das mit Dir? Was verändert sich dadurch?
Und dann mache Dir bewusst, dass Du mit Deiner Frage in der Vergangenheit unterwegs bist; der Teil Deiner Geschichte, der bereits vorbei ist. Auf diesen Teil hast Du keinen Einfluss mehr.
Was Du aber beeinflussen und, wenn Du willst, verändern kannst, ist Deine Gegenwart; Dein Jetzt und Hier! Du kannst, genau wie ich, entscheiden, wie es Dir mit Deinem Handicap geht und was Du aus ihm machst!
Diese Frage kann dabei helfen:
Und vielleicht hast Du sie auf diesem Blog schon öfter gelesen. Trotzdem will ich sie an dieser Stelle nochmal erwähnen:
Wo kannst Du aktiv Einfluss nehmen?
Ohne diese Frage denke ich oft: Ich kann die Situation, in der ich gerade bin, gar nicht beeinflussen. Ich kann nur reagieren. Doch sobald ich mir diese Frage stelle, geht mein Gehirn automatisch (so sind wir Menschen programmiert) in den Suchmodus. Und dann findet es eine Antwort.
Insofern mein 2. Tipp: Stelle Dir häufiger diese Frage. Denn sie kann Dir dabei helfen, aktiv zu werden und aktuelle Situationen, die Dir nicht gefallen (z.B. ein Streit mit einer Freundin, Langeweile oder auch eine Krankheit), zu verändern.
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