Was hilft bei Wut?
Wut ist, glaube ich, eines der Gefühle, das wir bei uns selbst am wenigsten mögen. Zugleich ist es ein Gefühl, das viele Menschen mit (körperlichem) Handicap in ihrem Alltag immer wieder spüren. Häufig dann, wenn (mal wieder) etwas wegen ihrer betroffenen Hand oder ihrem Fuß nicht funktioniert.
Man ist an der Kasse im Supermarkt nicht schnell genug, alle müssen warten. Beim Einräumen der Lebensmittel in den Kühlschrank fällt dann ein Jogurt herunter, der sich über den ganzen Boden verteilt.
Und beim Abwasch oder Einräumen der Spülmaschine abends lässt man ein Glas fallen. Es geht natürlich kaputt.
Solche Momente können Wut auslösen und die Frustrationstoleranz ganz schön beanspruchen!
Ich kenne Situationen wie diese viel aus meiner Kindheit. Und auch heute erlebe ich manchmal Momente, in denen mich meine Hemiparese herausfordert.
Deshalb finde ich es super spannend, mich hin und wieder mit Forschung zur Wut auseinanderzusetzen und generell mit der Funktion von Wut.
Denn Wut ist ein wichtiges Gefühl!
Wut hilft uns z.B., Ungerechtigkeit wahrzunehmen und mehr für uns einzustehen.
Sie hilft uns außerdem dabei, uns von anderen abzugrenzen oder zu schützen. Oder auch dabei, endlich mal auszusprechen, was wir die ganze Zeit denken und fühlen.
Und sie setzt viel Energie im Körper frei, wir werden aktiv. Dadurch fällt es manchmal leichter, Probleme wirklich anzugehen.
Für mich ist Wut in den letzten Jahren außerdem ein guter Signalgeber für Stress und/oder Überforderung geworden. Wenn ich wütend werde, dann manchmal auch deshalb, weil ich mir zu viel vorgenommen habe. Dann heißt es: Pause machen oder etwas in den To-Dos zu streichen.
Insofern: Wut ist ein Gefühl mit vielen wichtigen Funktionen!
Aber klar, Wut fühlt sich oft auch ätzend an!
Man spürt vielleicht, wie der Körper anspannt. Man fühlt die Wut im Bauch oder auch im Hals, sie wird immer stärker. Und irgendwann könnte man ausrasten.
Das liegt auch daran, dass unsere Denkzentrale im präfrontalen Cortex unseres Gehirns bei starken Gefühlen gerne mal eine Pause einlegt und unser Gefühlszentrum im limbischen System die Kontrolle übernimmt.
Deshalb kann es hilfreich sein, die Wut so früh wie möglich wahrzunehmen!
Denn häufig baut sie sich über den Tag oder auch über mehrere Tage hinweg auf. Es lohnt sich, immer mal wieder über den Tag hinweg zu schauen, „Wie geht`s mir eigentlich gerade?“
Und, wenn man merkt, „Ich werde wütend.“ kann es Sinn machen, näher hinzuschauen: Was genau macht mich gerade wütend?
Hat eine andere Person vielleicht meine Grenze überschritten? Ist es, weil ich gerade etwas mit meiner Hand, meinem Fuß nicht schaffe? Ist es, weil ich mich zurzeit überfordere, zu viel von mir verlange? Oder aus einem ganz anderen Grund?
Um dann zu schauen, was oder wer könnte mir jetzt helfen? Z.B. ein klärendes Gespräch, eine Pause, raus gehen, Ablenkung, ein neues Ziel für die Ergotherapie, mehr Einhand-Strategien lernen?
Klar, solche Überlegungen sind nur möglich, wenn Du trotz Wut noch halbwegs klar denken kannst. Das geht nicht immer, aber vielleicht zwischendurch, gerade dann, wenn Du früh hinschaust.
Ebenfalls hilfreich: Die Wut versprachlichen!
Aus der Forschung weiß man, dass es für die Bewältigung von Gefühlen wichtig ist, Worte für das zur Verfügung zu haben, was wir fühlen. Das macht es leichter, die Gefühle einzuordnen und mit ihnen umzugehen. Manchmal kann schon ein „Bor, ich bin so wütend.“ ein bisschen Druck rausnehmen. Vor allem dann, wenn jemand zuhört und versucht, einen zu verstehen.
Gefühle fühlen
In unserem Alltag versuchen wir oft, negative Gefühle irgendwie wegzumachen. Wir lenken uns ab, versuchen uns zu beruhigen, machen stattdessen Sport, gehen an den Süßigkeitenschrank oder… oder…
Was gerade bei Wut manchmal aber sinnvoll sein kann: Die Wut zuzulassen und sie „einfach“ zu fühlen. Z.B. in dem man schaut: Wo im Körper spüre ich die Wut? Und wie fühlt sie sich an?
Das kann Angst machen. Auch, weil Wut manchmal so unberechenbar ist. Aber es kann auch helfen! Denn Gefühle wollen gefühlt werden, das ist ihre Hauptfunktion. Und, wenn man sie fühlt, nimmt ihre Intensität in der Regel danach auch wieder ab. Denn unser Gehirn kann gar nicht dauerhaft so unter Strom stehen. Dafür ist es nicht gemacht. Es strebt immer wieder nach einem Gleichgewicht aus neutralen Gefühlen und starken Emotionen wie Wut, Trauer, Begeisterung usw.
Deshalb probiere es vielleicht selbst mal aus. Fühle einen Moment ganz bewusst Deine Wut.
Die Energie muss im Nachhinein raus!
Wut setzt im Körper jede Menge Energie frei. Mittlerweile geht man in der Forschung davon aus, dass es nicht viel bringt, seine Wut
sofort körperlich auszuleben (z.B. indem man auf etwas einschlägt oder sein Kuscheltier oder Kissen verprügelt). Häufig entsteht dadurch sogar noch mehr Wut, als wenn man sie „einfach nur“ aushält.
Gleichzeitig bleibt die Energie meist im Körper, auch dann, wenn die Wut längst verflogen ist. Genau deshalb kann es hilfreich sein, sich danach, wenn man wieder in einer neutralen Stimmung ist, zu bewegen, spazieren zu gehen, vielleicht auch Sport zu machen. Dadurch kann man die aufgestaute Energie wieder rauslassen. Probiere auch das vielleicht mal aus. Mir hilft`s auf jeden Fall!
Schreibe mir gerne auch mal: Was hilft Dir bei Wut? Ich freue mich drauf!

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