Macht ein Pflegegrad für mein Kind Sinn? Ist das nicht ein Stempel?
Zwischendurch taucht in meinen Coachings die Frage auf: „Soll ich eigentlich einen Pflegegrad für mein Kind beantragen?“ Manchmal verbunden mit dem Gedanken: „Lege ich damit meinem Kind nicht einen Stempel auf?“
Zwei spannende Fragen, die Du Dir vielleicht auch schon gestellt hast. Lass` uns heute näher darauf schauen.
Ein Pflegegrad kann viele Vorteile haben!
1. Entlastungsbetrag und Wohnumfeldverbesserungen:
Ab Pflegegrad 1 steht einem beispielsweise bereits der Entlastungsbetrag von 131 € zu, den man z.B. für einen professionellen Putzdienst nutzen kann. Oder man wandelt ihn in die sogenannte Nachbarschaftshilfe um. Dann könnte stattdessen auch ein/e Bekannte/r, ein/e FreundIn oder auch ein/e NachbarIn stundenweise im Haushalt oder bei der Kinderbetreuung unterstützen. Diese Person braucht in vielen Bundesländern lediglich einen ca. zweistündigen Pflege- oder Nachbarschaftshelfer-Kurs und darf nicht mit dem Kind verwandt sein, dann geht das.
Ab Pflegegrad 1 kann man auch bereits Leistungen zur Verbesserung des Wohnumfeldes beantragen, z.B. für den „behindertengerechten“ Umbau des Badezimmers oder des Kinderzimmers. Bis zu 4.180 € können ausbezahlt werden.
Pflegegeld:
Ab Pflegegrad 2 bekommt man bereits Pflegegeld in Höhe von 347 € monatlich. Dieses ist für die Pflegeperson vorgesehen, also die Person, die die Pflege zu Hause übernimmt (bei Kindern meist die Eltern). Bei Pflegegrad 3 sind es bereits 599 €, das ist eine ganze Menge.
Klar muss man hier immer schauen: Welcher Pflegegrad ist für mein Kind realistisch? Hierzu später noch ein Impuls.
Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege:
Zunächst zwei weitere Pflegeleistungen, die interessant sein könnten:
Zum einen die Ersatz- oder auch Verhinderungspflege. Diese kann ab Pflegegrad 2 genutzt werden und ist für Zeiten, in denen die Pflegeperson, wie der Name schon sagt, verhindert ist und/oder sich Entlastung wünscht.
Verhinderungspflege kann z.B. von professionellen Betreuungsdiensten übernommen werden. Diese bieten häufig stundenweise Betreuung zu Hause an, manchmal auch Ausflüge oder sogar Urlaubsreisen.
Die Verhinderungspflege kann aber auch von FreundInnen, NachbarInnen oder Bekannten übernommen werden. Wenn diese Person nicht mit einem verwandt ist, stehen für die Verhinderungspflege jährlich bis zu 1.685 € zur Verfügung (unabhängig vom Pflegegrad ab Pflegegrad 2). Verwandte können ebenfalls die Verhinderungspflege übernehmen, dafür wird jedoch deutlich weniger ausbezahlt.
Auch die Kurzzeitpflege-Leistung kann interessant sein. Diese Leistung ist eigentlich für die vorübergehende Unterbringung einer pflegebedürftigen Person in einer Einrichtung gedacht. Bis zu 1.854 € können dafür jährlich ab Pflegegrad 2 ausbezahlt werden.
Man kann Kurzzeitpflege aber auch umwandeln lassen und zwar in die Verhinderungspflege. Seit Juli diesen Jahres kann man den kompletten Betrag aus der Kurzzeitpflege auch für die Verhinderungspflege nutzen, so dass am Ende bis zu 3.539 € zur Verfügung stehen. Nicht schlecht, oder?
Wenn Du mehr über die Pflegeleistungen erfahren willst, schaue gerne mal bei betanet (klick)>> vorbei. Ich finde, die Internetseite gibt oft super Zusammenfassungen zu Themen wie Grad der Behinderung, Schwerbehinderung oder Pflege. Auch diesen Überblick (klick)>> über die einzelnen Leistungen je nach Pflegegrad finde ich sehr hilfreich.
Einen Pflegegrad beantragen
Klar ist, auf welche Leistungen der Pflegeversicherung Dein Kind und Du als Mama bzw. Papa Anspruch haben, ist immer davon abhängig, welchen Pflegegrad Dein Kind bekommt. Den Pflegegrad beantragst Du by the way bei Eurer Pflegekasse. Meist ist diese an Eure Krankenversicherung angegliedert. Wenn Du bereits eine/mehrere Diagnose(n) für Dein Kind und Berichte von ÄrztInnen hast, reiche diese am besten als Kopie mit dem Antrag ein.
Nach dem Antrag erfolgt dann in der Regel eine Untersuchung durch den Medizinischen Dienst Eurer Pflegeversicherung (MDK) bei Euch zu Hause. Dieser beurteilt und prüft die „Pflegebedürftigkeit“ Deines Kindes. Ich mag den Begriff „Pflegebedürftigkeit“ nicht, aber in diesem Kontext kommt man kaum an ihm vorbei.
Nach der Begutachtung durch den MDK wird dann der Pflegegrad ermittelt. Für die Ermittlung werden die Selbstständigkeit und die Fähigkeiten Deines Kindes mit denen anderer Kinder im gleichen Alter verglichen. Wenn Dein Kind bereits über 11 Jahre alt ist, erfolgt die Ermittlung nach den gleichen Kriterien wie bei Erwachsenen mit Pflegebedarf.
Empfehlung: Pflegegradrechner und Pflegetagebuch
Falls Du überlegst, einen Pflegegrad für Dein Kind zu beantragen, nutze vielleicht im Vorfeld einen Pflegegradrechner im Internet. Das ist ein Online-Tool, das dabei helfen kann, den Pflegegrad Deines Kindes im Vorfeld einzuschätzen. Dabei werden verschiedene Fragen zu den körperlichen, psychischen und geistigen „Einschränkungen“ (auch dieses Wort mag ich nicht) Deines Kindes gestellt und daraus dann ein möglicher Pflegegrad ermittelt.
Oft macht es auch Sinn, den ausgefüllten Pflegegradrechner auszudrucken und beim MDK-Besuch vorliegen zu haben. Er kann in die Beurteilung einfließen und ggf. als Argumentationshilfe dienen.
Auch ein Pflegetagebuch, das man regelmäßig führt, kann für den MDK-Besuch hilfreich sein. Dort hältst Du fest, wobei Dein Kind überall pflegerische Unterstützung benötigt.
Hier kann es Sinn machen, Dich ein bisschen mehr damit auseinanderzusetzen, welche Bereiche für die Pflegegradermittlung relevant sind (z.B. Mobilität, Selbstversorgung, kognitive Fähigkeiten usw.). Eine Übersicht darüber findest Du u.a. wieder bei betanet klick)>>.
Zunächst aber noch zu Frage 2 vom Anfang:
Ist ein Pflegegrad ein Stempel?
Früher hätte ich gesagt: Definitiv! Ich bin mit vielen Vorurteilen aufgewachsenen, was dieses Thema angeht.
Fakt ist aber: Der Pflegegrad ist (zumindest in Deutschland) Privatsache! Niemand muss davon erfahren, wenn Du das nicht willst. Selbst der Kindergarten oder die Schule Deines Kindes haben kein Recht darauf, es zu wissen. Lediglich bei z.B. einem Eintritt in eine private Krankenkasse könnte es aufgrund dessen schwierig werden. Das ist ja aber auch schon wegen der Diagnose Deines Kindes oft sehr schwer.
Insofern ist ein Pflegegrad auch kein wirklicher Stempel.
Hinzu kommt:
Ob mit oder ohne Pflegegrad: Der Pflegebedarf bei vielen Kindern mit Hemiparese ist ja so oder so da!
Viele Kinder brauchen mehr und länger Hilfe beim Anziehen, Waschen, Essen usw. Und dadurch verbringst Du als Mama bzw. Papa möglicherweise auch deutlich mehr Zeit damit als andere Eltern.
Vielleicht lohnt es sich dann, die Ausgleiche zu nutzen, die Dir und Euch zustehen. Z.B. indem Du Dir regelmäßig durch einen Dienst oder eine Nachbarschaftshilfe die Wohnung putzen lässt. Dadurch hättest Du mehr Zeit für Dich und/oder Dein Kind.
Oder Du lässt Dein Kind ab und an durch einen Dienst oder eine/n FreundIn betreuen und unternimmst etwas für Dich, zusammen mit Deinem/Deiner PartnerIn oder genießt kurz mal die Ruhe. Das kann sehr entlasten und auch wieder Kraft geben.
Vielleicht überlegst Du mal und schaust, ob ein Pflegegrad für Dein Kind Sinn macht oder nicht.
By the way, ich habe bis heute keinen Pflegegrad. Meine Eltern haben früher keinen für mich beantragt und ich zweifle ein bisschen daran, dass ich zurzeit als Erwachsene einen bekommen würde. Denn das Meiste schaffe ich ja völlig selbstständig. Aber wer weiß, vielleicht beantrage ich später, wenn ich älter bin, einen.
Dir bei Deinen Überlegungen und ggf. beim Beantragen viel Erfolg!

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